An die Melancholie

Die Bettlektüre von heute …

An die Melancholie

Du geleitest mich durchs Leben,
Sinnende Melancholie!
Mag mein Stern sich strahlend heben,
Mag er sinken – weichest nie!

Führst mich oft in Felsenklüfte,
Wo der Adler einsam haust,
Tannen starren in die Lüfte
Und der Waldstrom donnernd braust.

Meiner Toten dann gedenk ich,
Wild hervor die Träne bricht,
Und an deinen Busen senk ich
Mein umnachtet Angesicht.

(Nikolaus Lenau, An die Melancholie, Gedichte, Erstes Buch)

Das Schöne am Schreiben ist …

»Ich konnte mir die Figuren für das Buch nicht aussuchen, sie waren da. Sie spiegeln einzeln das Hauptthema des Buches wider, weil jede Figur ihre eigene Lüge mitbringt oder verarbeitet. Mich hat am meisten interessiert, wie die Charaktere sich entwickeln, wie sie mit ihren kleinen Geheimnissen umgehen. Da stecken Teile von mir in jeder Figur. Das Schöne am Schreiben ist, sich selbst in verschiedene Figuren aufzuspalten.«

Larissa Boehning (Mara-Cassens-Preis für das beste Debüt) im Interview in DIE ZEIT 3/2008

Alle Dinge haben ihren Sinn

Alle Dinge haben ihren Sinn
und sind für gewisse Zwecke brauchbar.
Wenn Du etwas Unpassendes benutzt,
Wird´s ganz unzureichend, ja, völlig unbrauchbar sein.

Ein runder Meißel mit eckigem Griff –
wie schade, vergeblich ward er gemacht.
Ein Vollbluthengst kann sich beim Mäusefangen
nicht mit einer lahmen Katze messen.

(Hanshan – Gedichte vom kalten Berge)

Zum neuen Jahr

Neujahrsgrüße, über die ich mich sehr gefreut habe:

Hanshan und Shihte
Hanshan und Shihte

Vom DAO hören soll Leid und Trübsal dir verjagen
das ist ein Wort, das leider leeres Stroh nur drischt:
Erst gestern morgen ledig allen Kummers Plagen,
hat es mich heute, ach, schon wieder voll erwischt.

Am Monatsende war davon nichts zu entdecken
doch bringt mir Sorgen, Sorgen nur das neue Jahr.
Wen wundert’s – sieht man unter diesem Hut doch stecken
denselben Miesepeter, der da immer war!

(Hanshan – Gedichte vom kalten Berge)

Abgespaltene Persönlichkeiten

»Ich schreibe nie über etwas anderes als eigene Erfahrungen. Alle meine Personen sind Teile von mir, sozusagen abgespaltene Persönlichkeiten, die ich recht gut kenne. Ich bin der Ansicht, dass im weitesten Sinne alles, was ein Schriftsteller schreibt, autobiographisch ist.«
Marlen Haushofer