Von Großsprechern und Phrasendreschern

» Um der politischen Versuchung nicht nachzugeben, muß man sich jeden Augenblick in der Kontrolle haben. Wie soll einem das gelingen besonders in einem demokratischen Staat, dessen Hauptschwäche es ist, dem ersten besten das Streben nach der Macht zu erlauben und seinen Ehrgeizregungen freie Bahn zu lassen. Daraus ergibt sich ein Gewimmel von Großsprechern, von Phrasendreschern ohne innere Bestimmung, irgendwelchen Narren, denen das Schicksal seine Prägung verweigert, unfähig zu reinem Wahnwitz, ungeeignet sowohl für den Triumph wie für den Zusammenbruch. Gerade ihre Nichtigkeit ermöglicht und sichert indessen unsere Freiheit, die von Ausnahmepersönlichkeiten nur bedroht werden. Eine Republik, die sich selbst achtet, müßte in Schrecken geraten beim Auftauchen eines großen Mannes, ihn aus ihrem Schoß verbannen oder wenigstens verhindern, dass sich eine Legende um ihn bildet.«

E.M. Cioran: Die Schule der Tyrannen